PM04 2023

Isild Le Besco and Jen Gatien

Mit Isild Le Besco und Jen Gatien werden zwei visionäre und mutige Künstlerinnen im Rahmen des 30. Filmfest Oldenburg mit einem Tribute geehrt. Isild Le Bescos neuer Film »Confines« wird in Oldenburg seine Weltpremiere feiern und mit weiteren Titel kündigen sich Oscar Gewinner und zahlreiche Weltpremieren für das 30. Filmfest Oldenburg an.

Oldenburg ehrt mit Isild Le Besco und Jen Gatien zwei starke Frauen mit Tributes und gibt das komplette Programm bekannt

Das Königreich der Kindheit – die Filme von Isild Le Besco

Isild Le Bescos Zugang zum Filmemachen wurde von Mia Hansen-Love schon in ihrer Kritik zu Le Bescos erstem Film »Demi-Tarif« im Kern seiner Einzigartigkeit erfasst. Der Instinkt dieser jungen Filmemacherin, die gerade mal 21-jährig schon auf eine außerordentliche Karriere als Schauspielerin zurückblicken konnte, ihr Zugang zum Medium, mit dem sie keine Geschichten erzählt, sondern Geschichten mit der Kamera einfängt, wie auch ihre thematische Treue zur Zeit der Adoleszenz.

»Instinktiv versteht Isild Le Besco auch, dass man die Kindheit nicht enthüllt, indem man eine chimäre Innenwelt sucht. Statt sie als einen Inhalt zu behandeln, der erforscht werden muss, beschreibt sie die Kindheit in ihrer Beziehung zur Zeit. Denn es handelt sich um eine bestimmte Erfahrung von Zeit, und darüber zu erzählen, birgt die Gefahr das Geheimnis ihrer unvernünftigen Süße zu erklären« (Mia Hansen-Love, Cahiers du Cinema).

Es scheint als würde die Filmemacherin Le Besco sich durch nichts von dem Weg abbringen zu lassen, sich mit ihrem Filmen dem Diktat der Zeit zu entledigen. Ihr zweiter Spielfilm »Charly« erzählt von der Begegnung eines adoleszenten Jungen auf der Flucht mit der kaum älteren Prostituierten Charly. Ihr dritter Spielfilm »Bas-Fonds« feierte seine Premiere 2010 in Locarno und Anfang 2011 widmete ihr die Lincoln Film Society in New York eine Werkschau. Die New York Times titelte »The Wild Child of French Cinema« und die junge französische Filmemacherin festigte ihren Nimbus als die berühmteste Filmemacherin unbekannter Filme.

Schon als Schauspielerin hat sie in ihrem Spiel und ihrer Erscheinung ein Enigma auf die Leinwand gebracht, dass sich dem Versuch einer Beschreibung beharrlich widersetzte. Benoît Jacquot, der sie 17-jährig entdeckte und ihr Mentor wurde, feierte sie als »engelhaftes Wesen« und »chinesische Prinzessin mit blauen Augen«. Cédric Kahn bezeichnete sie als »einzigartig, untypisch, zeitlos« und Jean-Luc Godard lud sie, nachdem er »Demi-Tarif« sah, ein, sich ihm in die Reihen der »einsamen Wölfe« anzuschließen.

Das Internationale Filmfest Oldenburg ehrt Isild Le Besco mit einem Tribute ihrer Filme als Regisseurin, während des Festivals werden fünf ihrer Arbeiten gezeigt. Am Samstag, den 16. September wird im Rahmen dieses Tributes ihr neuester Film »Confines« als Weltpremiere in Oldenburg aufgeführt. Isild Le Besco wird vom 13. bis zum 17. September in Oldenburg anwesend sein.

Manhattan Maverick – die Filme von Jen Gatien

Es ist wohl so, dass die meisten Produzenten das Risiko scheuen, und nur für wenige scheint das Risiko der Nährboden zu sein, aus dem heraus ihre Arbeit entstehen kann. Man denkt an den in diesem Jahr verstorbenen Ed Pressman, der dem amerikanischen Kino einige Sternstunden bescherte oder an Christine Vachon, die mit ihren mutigen Projekten in den 90er Jahren das New Queer Cinema in den USA begründete.

Jen Gatien hat ihre Liebe zum Kino und zum Geschichtenerzählen seit Beginn ihrer Karriere in den Nuller Jahren immer vor alle Vernunft und alle finanziellen Risiken gestellt. Wie kaum jemand anderes ist sie in einer neuen Generation unabhängiger Produzenten diejenige, die mit ihrer Arbeit dem sonst eher Filmemachern verliehenen Label »Maverick« gerecht wird.

Als Regisseurin Deborah Kampmeier die 12-jährige Dakota Fanning für ihren Film »Hounddog« besetzte, löste eine Szene mit ihr einen Skandal aus. Das Nebeneinander der medialen Aufregung um einen ganz jungen, neuen Hollywoodstar und das Thema sexuelle Gewalt gegen Minderjährige gipfelte in einer wütend geführten Kontroverse. Jen Gatien stellte sich als Produzentin hinter die Regisseurin und den jungen Star und verteidigte die künstlerische und erzählerische Autonomität des Films. Das nächste Projekt war ein künstlerisch fast noch riskanteres – dem »enfant terrible« des amerikanischen Independent Kinos, Abel Ferrara, einen Film ohne Drehbuch anzuvertrauen und dazu Stars wie Dennis Hopper, Grace Jones oder Ethan Hawke vor die Kamera zu holen. Die Dokumentation über die New Yorker Legende, das Chelsea Hotel wurde in den Händen dieser anderen New Yorker Legende zu einem der schönsten und einfühlsamsten Filme Ferraras.

Von da an hat Gatien mit ihren Projekten, deren Geschichten sich immer am Rand der Gesellschaft bewegen, dem amerikanischen Independentkino Impulse gegeben, neue junge Talente sowohl hinter als auch vor der Kamera gefördert. »Holy Rollers« gab dem jungen Jesse Eisenberg Gelegenheit, sich als starker Charakterdarsteller ins Gedächtnis zu bringen. Riley Keoghs Stern ging mit »Jack and Diane« und »Dixieand« auf. Für seine Rolle in »For Ellen« wurde Paul Dano zurecht von der Kritik gefeiert und mit »Kiss of the Damned«, der in Venedig seine Premiere feierte, bewies Xan Cassavetes, die Tochter des Übervaters des amerikanischen Independentkinos, John Cassavetes, ihr erzählerisches Talent und schuf einen elegischen Vampirfilm, der in den Zeiten der Teenage Vampire á la »Twilight« das erotisch aufgeladene Genre den erwachsenen Zuschauer zurück übereignete.

Als Tochter des legendären »Limelight«-Clubbesitzers Peter Gatien wuchs Jen in der kulturell prägenden Zeit des New Yorker Nachtlebens von Künstlern und Filmemachern auf. Ihre Distanz zu Hollywood festigt nur ihr angeborenes Gespür für Themen, die fest im Leben verankert sind – und zwar im Leben am Rande der Gesellschaft. In der Tradition von Produzenten wie Pressman und Vachon, die wie die besten Autoren ebenfalls aus New York stammen, zeigt sich in ihrem Oeuvre eine Gemeinsamkeit – als Mavericks.

Das Internationale Filmfest Oldenburg ehrt Jen Gatien mit einem Tribute. Im Rahmen des Festivals werden fünf ihrer Filme gezeigt. Jen Gatien wird vom 13. Bis zum 17. September in Oldenburg zu Gast sein.

Mit Einreichungen aus 70 Ländern und einem Rekord von 13 Weltpremieren gesellen sich Oscar-Gewinner zu Debütfilmmachern. Das Programm der 30. Jubiläumsausgabe des Filmfest steht fest und die letzten Titel werden bekanntgegeben.

The Book of Solutions, Frankreich 2023, Michel Gondry (Internationale Premiere)

In seinem ersten Film seit acht Jahren, der in Cannes seine Premiere feierte, erzählt der Oscar-prämierte Michel Gondry die Geschichte eines exzentrischen Regisseurs, der versucht die Dämonen zu besiegen, die seine Kreativität zügeln.

Maestra, USA 2023, Maggie Contreras (Internationale Premiere)

Mit ihrem Debutfilm (produziert von der Oscar-Gewinnerin 2023 Melanie Miller, »Navalny«), der in Tribeca uraufgeführt wurde, folgt die Regisseurin fünf internationalen Frauen, die sich auf »La Maestra« vorbereiten – dem weltweit einzigen Wettbewerb für Operdirigentinnen. Persönliche Geschichten vom Überleben, der Leidenschaft und Ausdauer verschwimmen mit der Aufregung des Ereignisses und durchbricht einen weiteren Käfig, der für Frauen geschaffen war.

In the Form of Love, Iran 2023, Sivash Asadi (Weltpremiere)

Im Iran der 50er-Jahre suchen eine Mutter und ihre Tochter vorübergehend Zuflucht auf dem Dorfgut eines entfremdeten, aber langjährigen Freundes, dessen 14-jähriger das Kino liebt. Während die Erwachsenen sich um die reale Welt kümmern, verlieren die beiden Jugendlichen ihre Herzen an die Welt des Films – und aneinander. In Anlehnung an seine Kindheit, in der er als Zehnjähriger mit Freunden die Schule schwänzte um Filme im Kino zu sehen, überbringt Siavash Asadi eine Liebeserklärung an das Kino von gestern: eine Hommage an Cinema Paradiso.

Confines, Frankreich 2023, Isild Le Besco (Weltpremiere) *Ehrengast

Der Moment, in dem Emmanuel Macron in einer Videobotschaft den Coronalockdown verkündet, trifft Zina und ihre Geschwister wie ein Schlag in die Magengrube. Sie werden nicht nur aus dem Alltag gerissen, sondern sind jetzt auch Gefangene ihres Vaters, der gewalttätig wird. Im Zentrum dieser klaustrophobischen Tragödie wächst Hoffnung.

Geisterfahrt, Deutschland 2023, Christine Hartmann (Weltpremiere)

Während die 60. Geburtstagsfeier von Kommissar Liebig in vollem Gange ist, rast in der Göttinger Altstadt ein Lieferwagen in eine Menschenmenge und hinterlässt Blut und Chaos auf den Straßen. Mit der erstklassigen Besetzung rund um Maria Furtwängler und Florence Kasumba schafft Hartmann eine packende Katz-und-Maus-Jagd in einer Atmosphäre voller unterschwelliger Gewalt und unmenschlichem Druck.

Charcoal, Argentinien/Brasilien 2022, Carolina Markowicz (Deutschlandpremiere)

In ihrem preisgekrönten Spielfilmdebut wird einer Familie, die sich um ihren bettlägerigen Patriarchen kümmert, ein verwerfliches Angebot gemacht: Ihrem Ältesten abzusetzen und einen argentinischen Drogenbaron Zuflucht zu gewähren. Ein menschliches und gleichzeitig beklemmendes Porträt einer unmenschlichen Welt.

Heavier Is The Sky, Basilien 2023, Petrus Cariry (Internationale Premiere)

Von dem brasilianischen Filmemacher, dessen »Trilogie des Todes« über 100 Preise und Nominierungen erhielt, folgt nun ein Roadmovie: eine poetische, aber brutale Sicht auf Liebe, Familie und das Leben. Nachdem Teresa ein verlassenes Kind aufnimmt, trifft sie Antonio und ihre Reise über die Straßen beginnt. Sie teilen nicht nur eine gemeinsame Vergangenheit, sondern Erinnerungen an eine Stadt, die in einem Staudamm versunken liegt. Das Leben ist traumhaft, aber die Zukunft gefährlich.

From Dawn Till Noon On The Sea, Japan 2023, Takayuki Hayashi (Weltpremiere)

Die ersten Momente des tiefgehenden Spielfilmdebuts zeigen eine japanische Teenagerin, die in ihrer Schuluniform durch einen Tunnel geht, der sie in die Gesellschaft zurückführt. Laut des örtlichen Radios wurde sie entführt und 49 Tage als Geisel gehalten, aber körperlich nicht von ihrem Entführer berührt. Unter ihren Altersgenossen gilt sie als Verstoßene, aber schnell wird klar, dass nicht die Entführung, sondern die Gesellschaft das Gefängnis ist.

Behind the Haystacks, Griechenland 2022, Asimina Proedou (Deutschlandpremiere)

Getrieben von finanzieller Not lässt sich ein Bauer an der nordgriechischen Grenze auf die Mafia ein: Er schmuggelt Einwanderer über einen Grenzsee, der mit Mazedonien verbunden ist. Doch als Leichen angeschwemmt werden und er aussteigen möchte, muss seine Familie die Konsequenzen seines Handelns tragen. Mit Aussicht auf die Oscar- Einreichung 2024, räumte der Film bereits bei den Hellenic Fim Academy Awards ab.

Im toten Winkel, Deutschland 2023, Ayşe Polat

Im toten Winkel verwebt Aye Polat die Fäden der Realität und des Ätherischen miteinander, um die Erzählung von politischen Intrigen in eine faszinierende Darstellung über die anhaltende Wirkung von Gewalt zu verwandeln. Mit meisterhafter Regie gelingt es ihr, Emotionen hervorzurufen, die dem Abspann weit nachwirken.

Enter the Clones of Bruce, USA 2023, David Gregory (Deutschlandpremiere)

Anfang der 1970er Jahre wurde Bruce Lee zum Idol des internationales Actionkinos. Bereits wenige Stunden nach seinem Tod 1973 begannen Filmstudios nach einem neuen Star zu suchen, der Lee ersetzen sollte. Kommerzielle Motive ließen eine Armee von Bruce Lee-Klonen entstehen. Die sogenannte Bruceploitation läuft seit mittlerweile 50 Jahren.

Mars Express, Frankreich 2023, Jérémie Périn

Die Akzeptanz von Unterschieden, Roboter und Menschen. Irgendwo zwischen der Ästhetik von »Blade Runne«, den technophilosophischen Ideen von »Ghost in the Shell« und den warnenden Science-Fiction-Prophezeiungen von Isaac Asimov entfaltet sich ein faszinierendes Film-Noir-Abenteuer über die Gefahren und Möglichkeiten künstlicher Intelligenz.

Shura: Sister of the Rope, Japan 2023, Tohjiro (Weltpremiere)

Zwei Schwestern kämpfen darum, ihre traumatische Vergangenheit zu überwinden. Ihre Mutter, ein Bondage Model, beging Selbstmord und ihr Vater, der Fesselkünstler, ließ sie im Stich. Die filmischen Absichten sind ebenso tiefgreifend und eindringlich wie in den intimen Dramen von Ozu oder den glühenden Psychodramen von Bergman. Transgressives Filmemachen von einer Intensität, die dem Zuschauer den Atem verschlägt.

Die Tribute-Ehrengäste von 2023, Isild Le Besco und Jen Gatien, werden vom 13. bis 17. September anwesend sein, um ihre Filme in Oldenburg zu präsentieren.

Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Pressebüro Filmfest Oldenburg 

Katrin Brinkmann/Clara Haus - presse@filmfest-oldenburg.de – 0441/ 21706549 Akkreditierung unter: https://www.filmfest-oldenburg.de/de/branche/akkreditierung/

Ihr Internationales Filmfest Oldenburg

 

Vorverkauf:

Am Dienstag, den 29.08.2023, beginnt der Kartenvorverkauf auf der Filmfest-Website unter https://www.filmfest-oldenburg.de und im Festivalcenter am Markt 18. Dort lassen sich ebenfalls Dauerkarten erwerben. Ab dem 05.09. können dann Karten über unser neues Digitales Programmheft gekauft werden.

Weitere VVK Stellen sind:

Tourismus-Information, Lange Straße 3/ Kulturetage, Bahnhofstraße 11, sowie alle ADticket-VVK-Stellen und die Tickethotline (069) 902839 86*

 

 

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