Tribute - Na Gyi & Paing Phyoe Thu

Rebels with a cause

Der junge Filmemacher Na Gyi und die mit dem Myanmar Academy Award ausgezeichnete Schauspielerin Paing Phyoe Thu mögen im Westen keine bekannten Namen sein, aber in Myanmar ist das Filmemacherpaar nicht nur berühmt, sondern berüchtigt.

Vom ersten Tag des Militärputsches 2021 an war das prominente Paar auf der Straße, um gegen die Militärjunta zu protestieren. Innerhalb weniger Tage wuchsen die friedlichen Demonstrationen in Myanmar auf Hunderttausende von Menschen an. Ein Foto von dem Fotografen Amonymous, das Paing Phyoe Thu mit dem Drei-Finger-Gruß - ein Symbol aus der »Hunger Games«-Serie, das zum Leitmotiv der Demokratiebewegung wurde - vor einer riesigen Menge Demonstranten zeigt, ging weltweit viral und wurde für den Pulitzer-Preis
nominiert.

Am 3. April wurde ein Haftbefehl gegen das Paar erlassen, da sie »ihre Popularität« genutzt hatten, um Beamte zu Protesten gegen die Militärjunta zu bewegen. Im Angesicht von Gefängnisstrafe und Folter waren sie gezwungen unterzutauchen, ihre Haltung blieb derweil standhaft und unerschütterlich.

»Es gibt kein Zurück mehr. Wir haben uns entschieden, das zu tun, und wir werden bis zum Ende kämpfen.« Paing Phyoe Thu

Einen Monat zuvor, Anfang März, erreichte das Internationale Filmfest Oldenburg ein außergewöhnliches Werk aus Myanmar: der Film »What Happened to the Wolf?«, die bewegende Story zweier todkranker Patienten, die sich begegnen und verlieben. Regie Na Gyi, in den Hauptrollen Paing Phyoe Thu und Eaindra Kyaw Zin, zwei der größten Stars in Myanmar. Während das Thema LGBTQ+ in Myanmar nicht explizit politisch
ist, wurde der Film dennoch zur Zielscheibe intensiver Verfolgung. 

Die Weltpremiere des Films fand im September in Oldenburg statt, und der Trailer wurde auf der Facebook-Seite des Festivals über 1 Million Mal aufgerufen. Eaindra Kyaw Zin erhielt 2021 den Seymour Cassel Award als beste Schauspielerin beim Festival in Abwesenheit, da sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Monaten in Haft befand. Na Gyi, Paing Phyoe Thu und andere Kollegen aus Kunst, Journalismus und Widerstand, waren sie gezwungen,
Myanmar zu verlassen. Aus einem »Safe Place« heraus im grenznahen Dschungel eines Nachbarlandes gründeten sie »The Artists Shelter« und organisieren den Widerstand.

Na Gyi hat ein Ingenieurstudium an der Universität Yangon absolviert, und Paing Phyoe Thu ist Ärztin und Absolventin der Medizinischen Universität 1 in Yangoon. Das Tribute für diese im wahrsten Sinne des Wortes furchtlosen unabhängigen Filmemacher präsentiert neben »What happened to the Wolf?« auch ihren ersten gemeinsamen Film »Mi« aus dem Jahr 2019. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Ki Aye und erzählt die Geschichte einer kämpferischen und unbekümmerten jungen Frau in den 1940er Jahren, die an Tuberkulose erkrankt ist. Paing Phyoe Thu erntete begeisterte Reaktion für ihre Darstellung einer modernen, unangepassten Frau im Angesicht des Todes. »Mi«, wurde ein großer Publikumserfolg, die Film Academy Myanmar strafte den Film mit Missachtung bei den Academy Awards des Landes.

Neben den beiden Spielfilmen werden in Oldenburg im Rahmen des Tribute drei weitere Kurzfilme präsentiert, die während ihrer Zeit im Versteck und im Exil entstanden sind und von wahren Begebenheiten inspiriert wurden: »Guilt«, »Our Turn!« und »My Lost Nation«.

„Filmemachen ist schwer. Einen Film zu drehen, wenn man auf der Flucht ist, ist sogar noch schwieriger. Es schien fast unmöglich. Mit diesem Film lehne ich mich gegen den Militärdiktator auf.“ Na Gyi über »Guilt«

Gerade weil sie nach mehr als zwei Jahren im Exil auch in diesem Jahr nicht in Oldenburg zu Gast sein können, will das Filmfest Oldenburg mit diesem Tribute nicht nur zwei unerschrockene und hochveranlagte Meister ihrer Kunst ehren, sondern auch die fortlaufenden Bemühungen von The Artists Shelter unterstützen und den Blick auf ein Land lenken, das von der westlichen Welt vergessen und alleingelassen wird.

Mi

In ihrer ersten Zusammenarbeit bei einem Spielfilm, einer Adaption eines klassischen myanmarischen Romans von Ki Aye, verkörpert Paing Phyoe Thu die Rolle von Mi – eine unkonventionelle und freigeistige junge Frau, die in der konservativen burmesischen Gesellschaft der 1940er Jahre lebt und nur noch wenig Zeit hat. Von Tuberkulose gezeichnet, einer damals tödlichen Krankheit, findet sie Trost in Zigaretten und Brandy. Das schillernde Nachtleben von Rangun ist ihr Reich, wo sie reiche Männer mit ihrem Witz und Charme verführt. Ihr Leben bleibt jedoch von Geheimnissen umwoben, und ihre wahren Absichten bleiben für alle ein Rätsel, die versuchen, ihre enigmatische Natur zu durchdringen. Ein
junger, naiver Bewunderer, der an seiner unerwiderten Liebe zu Mi zerbricht, entfacht unwissentlich die Flammen von Leidenschaft und Intrige, als er einem Freund sein gebrochenes Herz offenbart – der bald selbst in Mis Bann gezogen wird. Die Grenzen zwischen Liebe und Besessenheit verschwimmen. Als Mis Ende naht, ringt sie mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und der Sinnfrage ihrer Existenz.

What Happend to the Wolf?

Zwei Frauen, ein Schicksal. Die beiden todkranken Patientinnen Way und Moe lernen sich im Krankenhaus kennen. Moe leidet an Krebs, Way wurde mit einem Herzfehler geboren. Die eine ist traditionell, die andere rebellisch. Das ungleiche Paar fühlt sich magisch zueinander hingezogen. Eine ungewöhnliche Freundschaft erblüht, in deren Laufe Way die traditionell streng erzogene Moe an einfache Freuden des Lebens, an Bücher und an Popmusik heranführt.
Zusammen machen sie sich auf eine Fahrt zu dem berühmten»Meer der Wolken“, einem mystischen Ort, den beide vor ihrem Tode noch sehen wollen. Erzählerisch meisterhaft umgesetzt und von zwei umwerfend agierenden Darstellerinnen getragen, erlaubt uns Na Gyi einen Blick auf sein Heimatland, das drei Jahre nach dem Militärputsch wie eine Zeitreise in eine hoffnungsvolle und friedliche Vergangenheit anmutet. Ganz großes Kino aus einem kleinen Land. Na Gyi ist ein Filmemacher, der die Werkzeuge des Storytellings beherrscht wie kaum ein anderer. In Hollywood würde er Oscars gewinnen, in Myanmar lebt er versteckt, seit er nach dem Militärputsch 2021 auf die schwarze Liste der neuen Machthaber gesetzt wurde.

Guilt

Inspiriert von wahren Begebenheiten, musste eine junge Frau nach dem Staatsstreich in Myanmar im Februar 2021 aus dem Land fliehen. Die Aktivisten und CDMer* (Civil Disobedience Movement Participants) wurden brutal gefangen genommen und inhaftiert. Nur sehr wenige kamen aus den Verhören des Militärs in Myanmar heraus. Einige zogen den Tod den militärischen Folterungen vor. Für sie war das Sterben keine Option.

My Lost Nation

Ein Arzt flieht nach dem Militärputsch 2021 in Myanmar in ein abgelegenes Dorf, um Gefängnis und Folter zu entkommen. Dort arbeitet er freiwillig als Arzt an einer kleinen Schule. Zwei Dorfbewohner, die seine Hilfe dringend benötigen, konfrontieren ihn mit ihren eigenen inneren Wunden: Eine junge Mutter, die täglich die Schule aufsucht, um nach ihrem verstorbenen Sohn zu suchen, und ein Profifußballer, der sein Bein im Krieg verloren hat.

Our Turn!

Nach dem Militärputsch in Myanmar im Jahr 2021 schließt sich ein junger Mann dem Widerstand gegen die Junta an. Jede Nacht besucht er seine beste Freundin im nahegelegenen Dorf, auf der Suche nach Trost und Unterstützung. Doch auch sie ist von den Ereignissen zutiefst traumatisiert. Was der junge Mann nicht weiß: Er hat sein Leben bereits in einem Luftangriff des Militärs verloren.