Hollywood Auteurs
Retrospective Peter Hyams & John Hyams
In Interviews erzählt Peter Hyams oft, wie schwer es ihm fällt, sich seine eigenen Filme noch einmal anzusehen. Einmal hat er es so formuliert: »Ich bin ein Mensch, der nicht glaubt, dass er talentiert genug ist, deswegen schaue ich mir meine Filme, nachdem sie ins Kino gekommen sind, nicht wieder an.« Bei den meisten Filmemachern, die wie Hyams auf eine mehr als 40 Jahre währende Karriere in Hollywood zurückblicken können, klängen Sätze wie diese nach Koketterie, jedoch nicht bei dem 1943 in New York geborenen Regisseur, der bei vielen seiner Arbeiten zugleich noch sein eigener Drehbuchautor und immer auch sein eigener Kameramann gewesen ist. Diese Bescheidenheit, mit der er in Interviews über sein Werk spricht, wirkt absolut ehrlich, weil auch seine Filme von eben dieser Art von Ehrlichkeit und Bescheidenheit geprägt sind.
Anders als viele seiner Zeitgenossen, die entweder in den späten 1960er Jahren die New Hollywood-Bewegung begründet oder einige Jahre später den Weg zum Blockbuster-Kino der 80er Jahre geebnet haben, ist Hyams kein Absolvent einer Filmschule. Er hat Musik und bildende Kunst studiert, als Journalist und Nachrichtensprecher gearbeitet und hat sich schließlich als Autor und Regisseur in Hollywood etabliert, zunächst mit zwei Fernsehfilmen, in denen er die Möglichkeiten des Mediums vor allem dank seiner Erfahrungen als Jazzmusiker und Fotograf perfekt ausschöpfen konnte. Schon diese beiden Fernseharbeiten aus dem Jahr 1972, »Rolling Man« und »Goodnight, My Love«, zeugen von Hyams äußerst präzisen Gespür für die Musikalität filmischer Bewegungen. Sie sind eben nicht nur überaus effizient in Szene gesetzt. Sie funkeln geradezu vor Eleganz, genau der Eleganz, die auch all seine Kinofilme von der Cop-Komödie »Busting« (1974) bis zu dem Action-Thriller »Enemies Closer« (2013) ausstrahlen.
Die Eleganz von Hyams‘ Regie, die immer Hand in Hand mit der Eleganz seiner Kameraarbeit geht, ist eine in den 1970er Jahren schon längst vergessene Form von Eleganz. Ihre Wurzeln liegen im klassischen Hollywood, in dem die Filmemacher zuallererst Erzähler waren und um das Wunder der kollektiven Produktion von Filmen wussten. Wie Hyams haben sich diese Regisseure des großen Zeitalters des amerikanischen Kinos in den Dienst der Filme und ihrer Darsteller gestellt. Und es war die Virtuosität, mit der sie das Handwerk des Filmemachens in den engen, von den Studios gesetzten Grenzen beherrscht haben, die ihre Filme letztlich zu Kunstwerken werden ließ. Jene Virtuosität hat in den 1950er und 60er Filmemachern wie King Vidor und John Ford, Ernst Lubitsch und Nicholas Ray den Ehrentitel ›auteur‹ eingetragen.
Diesen ›Auteur‹-Begriff haben die ebenso grandiosen wie egomanischen Künstlerfiguren des New Hollywoods dann mit einer anderen Bedeutung erfüllt. Sie waren Autoren im Sinne einer ganz auf sie selbst zugeschnittenen Arbeitsweise, die zwar das Kollektiv vor und hinter der Kamera noch brauchte, es aber sich und ihren Visionen untergeordnet hat. Eine solche Form des genialischen Künstlertums ist Peter Hyams, der in Gesprächen fortwährend das Wunder des kollektiven Arbeitens in der Filmproduktion beschwört, und seinen Filmen gänzlich fremd. Und genau das macht ihn vielleicht zu Hollywoods letztem wahren ›auteur‹. Und selbst wenn er sich seine Arbeiten nicht mehr ansehen möchte, weil sie ihn vor allem daran erinnern, was alles nicht perfekt an ihnen ist, wird es Zeit sein Werk wiederzuentdecken. Denn Filme wie »Capricorn One« (1977) und »2010: The Year We Make Contact« (1984), »Outland« (1981) und »Timecop« (1994), »Star Chamber« (1983) und »Narrow Margin« (1990), können einem den Glauben an das Kino als Ort großer, zum Staunen und zum Nachdenken anregender Geschichten wiedergeben. Geschichten, die eben einen auf direkte, emotionale Weise ansprechen, aber nicht manipulieren.
Einer der Filmemacher, der die Lektionen, die Peter Hyams‘ Schaffen für uns alle bereithält, mehr als nur verinnerlicht hat, ist sein Sohn John Hyams, der seit den späten 1980er Jahren immer wieder in der einen oder anderen Funktion an den Filmen seines Vaters beteiligt war. Wie Peter ist John Hyams ein ›auteur‹ im klassischsten Sinne. Also ein Filmemacher, der sich das Material, mit dem er arbeitet, aneignet und so die oft sehr enggesteckten Genregrenzen auf bemerkenswerte Weise verschiebt. Seine beiden »Universal Soldier«-Filme, »Regeneration« (2009) und »Day of Reckoning« (2012), sind wie auch seine beiden Horror-Thriller, »Alone« (2020) und »Sick« (2022), von einem sehr klaren Wissen um die Notwendigkeiten ihrer jeweiligen Genres geprägt. Notwendigkeiten, die John Hyams nicht nur respektiert. Er begegnet ihnen vielmehr mit der gleichen wundervollen Eleganz, die für Peters Filme so kennzeichnend ist. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass er in einer Zeit, in der das Kino von großen, möglichst spektakulären, aber auch gänzlich gesichtslosen Comic-Verfilmungen und Sequels beherrscht wird, ein Außenseiter geblieben ist. Seine Filme sind für eine Industrie, die ihre größten Stärken schon lange aus den Augen verloren hat, viel zu persönlich und zugleich auch viel zu klassisch. Wahrscheinlich müssten auch Regisseure wie Vincente Minnelli und Fritz Lang heute in den Nischen arbeiten, in denen John Hyams seine künstlerische Heimat gefunden hat.