The Revolutionary
Retrospektive Edward R. Pressman
»Maverick«, das ist einer dieser Begriffe, die Filmkritiker gerne verwenden, wenn von Regisseuren die Rede ist, die sich mit ihren Arbeiten den Konventionen der Industrie widersetzen. Ein fast schon mythisches Idealschwingt in ihm mit: Der Filmemacher als Künstler, der unbeirrt seinen Weg geht und seine Visionen kompromisslos umsetzt. Ein Produzent wird dagegen eher selten als Maverick bezeichnet. Schließlich steht er in den Augen vieler Cinephiler auf der anderen Seite. Im Spannungsfeld von Kunst und Kommerz kommt ihm meist die Rolle des Antagonisten zu. Dennoch war ein 1989 in dem australischen Filmmagazin »Cinema Papers« erschienenes Interview mit dem Produzenten Edward R. Pressman »Hollywood Maverick« überschrieben. Und treffender lässt sich Pressmans Position in der Traumfabrik wie in der neueren Filmgeschichte nicht beschreiben. Unter den Produzenten, die das US-amerikanische Kino in den vergangenen 50 Jahren mitgeprägt haben, ist der 1943 in New York geborene Sohn eines Spielzeugfabrikanten tatsächlich eine Art Einzelgänger und Außenseiter.
Mehr als 80 Filme hat Edward R. Pressman seit seinem Debüt als Produzent, dem 1967 entstandenen Kurzfilm »Girl«, ermöglicht. Kleine Independent-Produktionen ebenso wie aufwendige Comicverfilmungen, europäische Autorenfilme ebenso wie amerikanisches Pulp-Kino. Moderne Klassiker wie Terrence Malicks legendärer Erstling »Badlands« und Abel Ferraras epochaler Polizeifilm »Bad Lieutenant« stehen in seiner Filmographie direkt neben Experimenten wie Alex Cox’ Agit-Pop-Meisterwerk »Walker« und Mark Frosts southern noir »Storyville«. Auf den ersten, flüchtigen Blick scheint es dabei kaum Gemeinsamkeiten zwischen diesen Filmen zu geben. Doch das täuscht. Blickt man etwas genauer, offenbart sich schnell ein roter Faden, der sich durch Pressmans gesamtes Schaffen zieht und fest mit den Regisseuren der von ihm produzierten Filme verbunden ist. Von Anfang an, also seit seiner Zusammenarbeit mit Paul Williams, mit dem er neben »Girl« noch drei lange Filme realisiert hat, war Pressman ein Entdecker und ein Förderer von Regisseuren, die eine sehr individuelle Handschrift haben.
Brian De Palma und Terrence Malick, Oliver Stone und John Milius, Kathryn Bigelow und Mary Harron, Abel Ferrara und James Toback, Rainer Werner Fassbinder und Barbet Schroeder, sie alle sind auf ihre ganz eigene Weise Mavericks, radikale Einzelgänger, die mit ihren Werken die Grenzen des Kino ausgetestet und verschoben haben.
Filme wie De Palmas satirische Rock-Oper »Phantom of the Paradise« und Fassbinders grandioses Nabokov-Spiegelkabinett »Despair«, oder wie »Bad Lieutenant« und »The Blackout«, Ferraras Reisen in die schwärzesten Abgründe der menschlichen Seele, gehören aber nicht nur zu den Meisterwerken ihrer Schöpfer. Sie zeugen ebenso von Ed Pressmans Gespür für außergewöhnliche Künstler und subversive Projekte. In seinem Werk löst sich der oft beschworene Konflikt zwischen Kommerz und Kunst auf.
Pressmans Produktionen – und das gilt gerade auch für Genrefilme wie Milius’ stilbildende pulp fiction »Conan the Barbarian« und Steven E. de Souzas unterschätze Videospiel-Adaption »Streetfighter« – sind von der festen Überzeugung getragen, dass sich Kunst und Kommerz keinesfalls widersprechen. Ganz im Gegenteil: Sie können einander sogar perfekt ergänzen. In dem Interview mit den »Cinema Papers« hat er entsprechend betont, dass sich eine echte Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Regisseuren nicht mit simplen Trennungen zwischen kreativen und wirtschaftlichen Entscheidungen vereinbaren lässt.
Und genau diese Haltung offenbart sich in jedem seiner Filme. »Badlands« und Oliver Stones amerikanischer Albtraum »Talk Radio«, »Reversal of Fortune«, Barbet Schroeders elegantes Essay über die Wahrheit und ihre Nuancen, und »American Psycho«, Mary Harrons bitterböse Groteske angesichts der inneren Leere der westlichen Welt, verführen einen zum Träumen: So kann Kino eben auch sein, unbequem und ehrlich, politisch und poetisch, experimentell und mitreißend.
Die großen Entwicklungen und weitreichenden Umwälzungen im Kino der vergangenen 50 Jahre sind in unseren Erinnerungen natürlich vor allem mit den Namen der Regisseure verbunden, die sie angestoßen und vorangetrieben haben. So sind Filmemacher wie Brian De Palma und Robert Altman, Martin Scorsese und Francis Ford Coppola fast schon zum Synonym für die New Hollywood genannte Revolution geworden. Und bei den American Independents, die Mitte der 1980er Jahre begannen, das amerikanische Kino jenseits von
Hollywood noch einmal neu zu erfinden, denkt man sofort an Steven Soderbergh und die Coen-Brüder, an Jim Jarmusch und natürlich Abel Ferrara. Dass Ed Pressman auf beide Bewegungen einen nachdrücklichen Einfluss hatte, übersieht man dagegen leicht. Dabei ist er einer der wenigen Produzenten, die tatsächlich Trends geschaffen haben und ihnen nicht nur gefolgt sind.