Wild at heart

A Tribute to Nicolas Cage

Frisch aus dem Gefängnis entlassen, schlüpft er in »Wild at Heart« in ein Jackett aus Schlangenhaut.
Für einen Künstler, der die eigene Haut so nahtlos abstreifen kann, ist das ziemlich passend – denn er ist ein Meister der Verwandlung. Er schauspielert nicht, lügt nicht. Er existiert einfach.

Und ja, wir alle wissen, dass er eigentlich ein ›Coppola‹ ist. Aber aus dem weniger bekannten Zweig der
Familie. Während sein Onkel Francis Hollywood umkrempelte, war sein Vater August ein Literaturprofessor – und der Mann, der ihm Filme zeigte, die seine spätere Karriere beeinflussen würden. Denn der Sohn eines Lehrers brach die Schule ab und stürzte sich in die Welt der Künste. Jahre später mag man sich wundern, warum der leidenschaftliche Leser und Autodidakt seinen Nachnamen in »Cage« änderte. Aber eigentlich macht seine Erklärung, dass er selbst der Lenker seines eigenen Geschicks sein wollte, perfekt Sinn für einen Künstler, der »wild im Herzen« ist und keine Grenzen kennt, beziehungsweise sie nur zu gern überschreitet.

Mit Performances, die vom cinema verité bis ins opernhafte schreiten, bewegt er sich unter den Größen aller Kunstformen, ob nun Edvard Munch oder Stravinsky. Er liebt das gesamte künstlerische Spektrum und zelebriert es mit Auftritten in dessen Randgebieten. Und genau wie diese Größen der modernen Kunst und der klassischen Musik, ist Cage eine Ikone des Kinos. Mit über 80 Titeln in seiner Filmografie ist er einer der profiliertesten Schauspieler der Neuzeit. Und schon seine erste Rolle in dem Fernsehfilm »Best of Times« deutete an, dass er es bis ganz nach oben schaffen würde. »Ich glaub‘ ich steh‘ im Wald«, sein zweiter Film, war der letzte, in dem der Abspann ihn als einen Coppola betiteln würde, da seine Hauptrolle in »Valley Girl« (1983) ihn gleich in die oberste Riege der Jungstars seiner Generation beförderte. »Arizona Junior« (1987) brachte ihm seine erste Nominierung für einen Filmpreis. Ein Oscar, 40 weitere Preise und 60 Nominierungen sollten folgen.

Für einen Mann, der immer gern alles auf seine Karte setzte, ist es nur zu passend, dass er seinen ersten Oscar für seine Rolle in »Leaving Las Vegas« gewann – und nun die Möglichkeit hatte, sich quer durch alle Genres zu bewegen. Als Kind hatte er Sean Connery als James Bond verehrt – und spielte nun neben ihm in »The Rock«, was ihm einen Blockbuster Award und eine Karriere als internationaler Actionstar einbrachte. Für den Thriller »Face/Off« fand er Inspiration in den Filmen, die er als Fünfjähriger mit seinem Vater angeschaut hatte, wie »Das Kabinett des Doktor Caligari«, dessen Germanisch-expressionistischen Stil er in seine Rolle einfließen ließ – eine neue Definition des Actionstars als kunstübergreifender auteur.

Sein Privatleben wurde von der heutzutage institutionalisierten Klatschkultur gehörig breitgetreten. Aber wie ein enigmatischer Herrscher, bleibt er ruhig, lehnt sich cool zurück und lässt andere über Dinge reden, die mit seiner Profession nichts zu tun haben. Denn sein schauspielerisches Handwerk hat er nicht nur erlernt, es wurde ihm mit in die Wiege gelegt. Er kommt aus einer Künstlerfamilie, angefangen bei seiner Mutter, einer deutschen Tänzerin. Als sie ihn in »Wild at Heart« sah, sagte sie angeblich: »Schau mal, wie Du Dich bewegst. All diese seltsame Energie – das ist ja wie moderner Tanz«. Sein Großvater war ein Komponist – und die Musik ist für ihn die höchste Form aller Künste. Avant-garde Pionier John Cage, sein inoffizieller Namensgeber, sagte einmal, die Musik sei »ein Spiel ohne Sinn. Kein Versuch, Ordnung ins Chaos zu bringen oder die Welt zu verbessern, sondern der einfache Prozess, aufzuwachen und das Leben so zu sehen, wie es ist.«

Und Nicholas tut genau dies. Als Schöpfer, Schüler und Ausübender seiner ganz eigenen Kunstform. Es lässt seinem wilden Herzen freien Lauf. Und deswegen lieben wir ihn.Und Nicholas tut genau dies. Als Schöpfer, Schüler und Ausübender seiner ganz eigenen Kunstform. Es lässt seinem wilden Herzen freien Lauf. Und deswegen lieben wir ihn.